Es war der erste Reformations-Gottesdienst des neuen Superintendenten Oliver Günther, seit genau vier Monaten im Amt. Stets sehr gut besucht, war der Gottesdienst in diesem Jahr noch größerer Anziehungspunkt. Denn in diesem Jahr war es keine traditionelle Zusammenarbeit von Versöhnungs- und Erlösergemeinde. Oliver Günther ließ deutlich erkennen, dass dieser Feiertag ein grundsätzliches Anliegen für ihn ist.
„Ein feste Burg ist unser Gott“ – so eindringlich gesprochen hatten die Besucher den Psalm wohl noch nie gehört. Musikalisch unterlegt und abgerundet mit einer Improvisation von KMD Hanns-Peter Springer. Klangvoll umrahmt wurde der Gottesdienst H.-P. Springer am Flügel und an der Orgel, vom Posaunenchor unter der Leitung von Stefan Beumers.
Zugewandte Theologie im Jahr 1517
„Eine dem Menschen zugewandte Theologie gab es bereits im Jahr 1517“, begann Superintendent Oliver Günther seine Betrachtungen und fragte: „Wie kann Kirche heute frisch, freimachend, reformatorisch sein“? Er empfahl, sich von dem Gedanken zu lösen, wir seien so stark, dass wir Kirche alleine wandeln könnten.
Und heute?
Kirche war damals Handlanger anderer, indem sie z. B. Ablassbriefe verkaufte. „Und wie ist sie heute – haben wir dazu gelernt“, fragte er die anwesende Gemeinde. Auch vermeintlich innovative Protestanten bräuchten Gott auf diesem Weg. Um dies zu bekräftigen, hatte er für diesen Tag das Glaubensbekenntnis im EG auf Seite 1317 ff ausgewählt. Teil 1 hat das Thema „von der Schöpfung“, Teil 2 „von der Erlösung“ und den Teil 3 las die Gemeinde hier gemeinsam- „von der Heilung“, weitergeführt mit der anschließenden Frage im Text: „Was ist das?“ Dieses Glaubensbekenntnis lohnt in einer stillen Stunde das individuelle Lesen und Nachspüren.
„Apfelbäumchen pflanzen“ zeigt Zuversicht
„Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“. Dieser Ausspruch werde Luther zu gesprochen, er sei aber nicht von ihm, erläuterte Oliver Günther. Wichtig sei: In diesem Satz stecke viel Zuversicht, weiter in der Liebe zu bleiben, weiter Frieden zu gestalten.
Wasserglas – halb leer oder halb voll?
Er griff nach dem bereitstehenden Wasser, trank einen Schluck aus dem Glas und fragte, woran man den Optimisten erkenne. Für ihn sei das Glas halb voll, für den Pessimisten sei es halb leer. Pessimisten zeigten einen latent leidenden Gesichtsausdruck. Für sie sei „das Licht am Ende des Tunnels“ der entgegenkommende Zug. Der Pessimist binde sich an das, was in der Welt ist. Er lebe in einer ständig wachsenden Spirale der Besorgnis. Er sehe alles, was komme, er sei fixiert auf die schlechten Dinge im Leben. Er würde nicht in den Schuppen gehen, den Spaten holen und das Apfelbäumchen pflanzen.
Optimisten seien in seinen Augen Illusionisten. Nach seinem Eindruck würden sie sich selbst etwas vormachen, sich etwas einreden. Für ihn seien sie keine Visionäre.
Zuversicht ist überlebensnotwendig
Die Bibel denke den Menschen ganzheitlich. Die Fähigkeit zur Zuversicht sei für ihn überlebensnotwendig. Denn wir leben im Hier und Jetzt und in der Zukunft, die da kommen werde. Hätten die Menschen keine Zuversicht, wären sie in früherer Zeit nicht sesshaft geworden, würden heute z. B. keine Ausbildung beginnen, kein Haus bauen.
„Zuversicht ist der Herzschlag meines Glaubens“,
so der Superintendent. Er zeichnete in klaren Worten sein Verständnis von Zuversicht auf das Morgen, dass morgen etwas Gutes passiere. Dass morgen die Enkel vom Apfelbaum ernten, wie unsere Generation die Äpfel ernten darf, die die Großeltern gepflanzt hatten.
Es sei seine tiefe Überzeugung: Es bedürfe der Zuversicht, um die Welt verändern zu können. „Zuversicht“ sei leicht gesagt. Auch schon zu Luthers schwierigen Zeiten. „Woher nahm Luther seine Zuversicht“, könne man fragen. Die Antwort: „Er nahm sich die Zuversicht nicht, sie wurde ihm zugesprochen,“ brachte er es auf den Punkt. „Luther musste, wie Paulus, lernen, von sich abzusehen und auf Jesus zu schauen.“ Pessimisten würden Jesus nicht als hilfreich ansehen. Optimisten dächten, sie seien stark, könnten alles selbst richten und bräuchten Jesus nicht. In Christus lerne der Mensch, über das, was ist, hinaus zu schauen, über sich hinaus zu blicken. „Gott ist unsere Zuversicht! – Amen.“