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Sie machte das Evangelium „greifbar“

Quicklebendig im Geiste ist sie. Die Erinnerungen an ihre Zeit in Iserlohn „sprudeln“ aus ihr hervor. Schwester Adelheid könnte Bücher füllen. Vor kurzem beging sie ihren 100. Geburtstag.

1987 vollendete Gemeindeschwester Adelheid ihr 65. Lebensjahr und kehrte zurück in ihr Mutterhaus nach Bethel.

Geboren wurde die Diakonisse am 20.10.1922 als Adelheid Klausmeyer in Ennighoh bei Bünde. Im Frühjahr 1948 trat sie in die Gemeinschaft ein. April 1954 wurde sie eingesegnet. Ihr Einsegnungsspruch steht unter Römer 9, 16: „Also kommt es nicht auf das Wollen und Streben des Menschen an, sondern auf das Erbarmen Gottes.“

Zunächst war sie Gemeindeschwester in Wuppertal-Langerfeld, wo sie schon während ihrer Ausbildung praktische Erfahrung sammeln konnte.

Zum 13.1.1956 trat sie den Dienst als Gemeindeschwester in Iserlohn an und bezog eine kleine Dachgeschosswohnung im Gebäude des Kindergartens Hindenburgstraße 1. Während ihre Mitschwester und Mitbewohnerin dieser Wohnung, Schwester Lisbeth, den Kindergarten leitete war Schwester Adelheid als Gemeindeschwester in der Innenstadtgemeinde ständig und tätig unterwegs. Nur manchmal konnte Schwester Lisbeth sie zu besonderen Gelegenheiten in den Kindergarten locken – das Zusammenwirken dieser beiden Diakonissenschwestern dürfte für Generationen von Kindergartenkindern das Bild vom Evangelium geprägt haben.

Der Dienst der Diakonissenschwestern sah drei wesentliche Säulen vor: „Dienerinnen des Herrn Jesus“, „Dienerinnen der Kranken und Armen um Jesu willen“ und „Dienerinnen untereinander“ zu sein. Diakonisse zu werden war ein Lebensberuf. Entsandt aus dem Mutterhaus und im Alter dorthin zurückkehrend in den „Feierabend“. Für Schwester Adelheid war es im November 1987 so weit, nach 31 Jahren im Dienst der Gemeinde. Schwester Lisbeth war jünger und folgte ihr daher erst später. Für Schwester Adelheid auch heute noch in der Erinnerung eine schwere Übergangszeit, hatten sie in Iserlohn doch das Leben, den Glauben miteinander geteilt und sich stets gegenseitig bestärkt.

Unzähligen Gemeindemitgliedern ist Schwester Adelheid eine enorme Hilfe gewesen. Auf sie war einfach Verlass. Sie war stets zielstrebig „bei Wind und Wetter“ zu Fuß mit ihrer Tasche unterwegs, pflegte hier Kranke, besorgte da Kleidung, stellte niederschwellig Verbindung her zu Einrichtungen, die weiterhelfen könnten, hatte besten Kontakt zu Ämtern und Ärzten. Manches Mal „auf kleinem Dienstweg mit kreativen Ideen“ beschaffte sie die nötigen Hilfsmittel, mit denen sie ihre Betreuten versorgen konnte. Wo sie in ihrer Schwesterntracht auftrat, zollte man ihr den nötigen Respekt. Viel Rückhalt durfte sie bei Geschäftsleuten und in Lebensmittelgeschäften erfahren. Bäcker Karl Schreiber – auch er fest im Glauben – „um die Ecke“ in der Elisabethstraße unterstützte sie sehr, erinnert sie sich gern zurück.

Schwester Adelheid erfüllte ihren Dienst als Gemeindeschwester aus Berufung. Mit Freude leitete sie zusammen mit Pfarrer Linde die Gemeinde-Mädchenjungschar und war den jungen Teilnehmerinnen ein großes Vorbild: Sie wollte Menschen helfen und Glauben vorleben. Auch in der Frauenhilfe war Schwester Adelheid aktiv. Gerne erinnert sie sich an die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Pfarrer Tomczak.

Sie kannte die sozialen Nöte in den Familien der Innenstadtgemeinde. Schwester Adelheid hat viele Patienten im Sterben begleitet, am Sterbebett gewacht.  Schwester Adelheid arbeitete als Gemeindeschwester „ganzheitlich“. Sie verknüpfte Krankenpflege, Seelsorge, sittliche Erziehung und Armenpflege. Sie genoss „Verweisungskompetenz“. Sie kannte die Lebensumstände der Menschen und konnte Wege bahnen für Hilfe, die ihre eigene Möglichkeit überschritt. Die Gemeindeschwester war nicht eine Angestellte der Gemeinde, sondern Mitglied der Lebens-, Dienst- und Glaubensgemeinschaft mit gegenseitiger Hilfestellung und Unterstützung. Heute würde man das wohl „Netzwerk“ nennen.

Die Gemeindeschwester der 50-er, 60-er Jahre war gemeindebildend. Sie war lange Zeit das Gesicht der Diakonie in der Gemeinde. In den 70-er Jahren veränderten sich die Rahmenbedingungen für Schwester Adelheid.

1977 wurde die zentrale Diakoniestation in der Piepenstockstraße 21 gegründet und Gemeindeschwester Adelheid übertrug man zusätzlich die stellvertretende Leitung. Sie, die bis dahin mit ihrer Tasche stramm zu Fuß unterwegs war von der Calle bis zum Stadtzentrum – machte im Alter von 50 Jahren den Führerschein. 1978 erhielt sie ihr erstes Auto.

Fortan flitzte sie in ihrem gelben „Postauto“ von einem Termin zum nächsten durch die Gemeinde. Ihr forscher Fahrstil war allseits bekannt, doch „ich hatte nie einen Unfall mit meinem Postauto“ bekundet Schwester Adelheid noch jetzt stolz zurückblickend.

Nun nutzt sie ihren Rollator und genießt damit die Rundgänge durch den Garten ihres Feierabendheimes in Bethel. Seit 35 Jahren darf sie, die stets für die Menschen „da“ war, sich helfen und verwöhnen lassen.

Bettina Pelters

Bettina Pelters

Autorin