Sensibilisieren, Tabus brechen und Räume für Täter enger machen – Kirchenkreis setzt deutliches Signal
Der Schutz vor sexualisierter Gewalt ist für den Kirchenkreis Iserlohn ein wichtiges Anliegen. Seit zwei Jahren arbeitet Präventionsfachkraft Nadine Broer intensiv an dem Schutzkonzept. Damit setzt der Kirchenkreis ein klares Zeichen gegen sexualisierte Gewalt. Das Konzept wurde auf der Kreissynode im März bereits vorgestellt und verabschiedet, nun stellte Superintendentin Martina Espelöer es gemeinsam mit Nadine Broer und Multiplikator Jan Ditzhaus der Öffentlichkeit vor. „Das war uns am Ende des Jahres ganz besonders wichtig“, betonte Martina Espelöer.
„Wir haben dabei festgestellt, dass es ein sehr wichtiger, manchmal auch mühevoller Weg ist“, so die Superintendentin. Circa 550 Hauptamtliche und fast 1000 Ehrenamtliche arbeiten beim Kirchenkreis Iserlohn. Alle sollen geschult werden und müssen unter anderem ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Dabei sollen alle auf dem Weg mitgenommen werden und sich nicht etwa einem Generalverdacht ausgesetzt fühlen, betont die Superintendentin.
Das von Nadine Broer erarbeitete Konzept enthält unter anderem eine Potential- und Verhaltensanalyse. Welcher Umgang ist wünschenswert, welcher bereits grenzverletzend oder sogar grenzüberschreitend? Ein wichtiges Stichwort dabei ist die Partizipation. Es sei wichtig, gemeinsam an den Fragestellungen zu arbeiten. „Wie wollen wir als Gruppe miteinander umgehen, welches Verhalten ist gewünscht und welches gar nicht“, erklärt Broer. Partizipation helfe auch dabei, Machtgefällte abzubauen. Deshalb sollen die einzelnen Einrichtungen und Gemeinden auf Basis des Konzepts individuelle Schutzkonzepte erarbeiten.
Einhundertprozentige Sicherheit könne es leider nicht geben, umso wichtiger sei es aber, alles mögliche zu tun. Broer vergleicht es mit einem Hausbau: „Eine Wand reicht nicht aus, um ein Haus stabil zu machen, man braucht schön mehrere Wände“. Das Schutzkonzept enthält auch Interventionsplan für den konkreten Fall sowie die Selbstverpflichtung, die im Kirchenkreis mittlerweile zum Standard geworden ist. Das Konzept wird ständig aktualisiert und ist auf der Homepage des Kirchenkreises abrufbar.
Eine zweite wichtige Säule im Kampf gegen sexualisierte Gewalt sind die Schulungen, die zur Zeit von Multiplikator Jan Ditzhaus und Multiplikatorin Mirjam Kopp durchgeführt werden. Sämtliche Mitarbeitenden sollen in verschiedenen Modulen geschult werden. Mehr als 1000 Menschen wurden bereits geschult, darunter das gesamte KiTa-Personal. Die Ziel der Schulungen sind vor allem die Bewusstseinsschaffung und die Sensibilisierung für das Thema. Zu Beginn gab es auch gegenüber den Schulungen Bedenken, vor allem was den Zeitumfang betrifft: 16 Stunden umfasst allein die Basisschulung.
Doch in vielen Fällen wandelt sich die Skepsis und viele Teilnehmende hätten gerne sogar noch mehr Zeit gehabt, verrät Jan Ditzhaus. Insgeheim freue er sich teilweise auch über die Abwehrhaltung mancher Teilnehmenden, die beispielsweise die Einstellung vertreten, Dinge „immer schon so gemacht wurden“. Denn genau dort kann er ansetzen und aufzeigen, warum im Umgang mit sexualisierter Gewalt ein „neues Normal“ nötig ist. Ein weiteres Ziel der Schulungen ist es, das Tabu zu brechen, das immer noch über dem Thema liege, so Ditzhaus.
„Wir sehen es als einen Lernweg an“, fasst die Superintendentin zusammen. Bestimmte Verhaltensmuster müssen hinterfragt und verändert werden, Systeme müssen optimiert werden. „Überall stellen sich diese Fragen, die wir auch selbstkritisch betrachten müssen.“ Es seien schwierige Fragen, die teilweise auch zu Verunsicherung führten. „Wir können uns diese Verunsicherung aber nicht ersparen“, stellt die Superintendentin fest. Außerdem sei es wichtig, die Räume für mögliche Täter:innen enger zu machen, sagt Martina Espelöer und unterstreicht: „Menschen, die in dieser Weise Nähe zu Menschen missbrauchen wollen, sind hier nicht willkommen!“