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„Ping Pong der Argumente“

Gelungene Debatte zum Auftakt von Kirche ermöglicht Dialog

Menschen mit unterschiedlichen Positionen ins Gespräch zu bringen, das ist die Idee hinter der neuen Veranstaltungsreihe „Kirche ermöglicht Dialog“ der Ev. Erwachsenenbildung im Ev. Kirchenkreis Iserlohn. Zum Auftakt empfing Superintendent Oliver Günther die beiden Bundestagsabgeordneten Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke) und Paul Ziemiak (CDU) in der Schauburg P3 in Iserlohn. Die Kirche der Reformation sei bis heute eine Bildungsbewegung, begründete Pfarrerin Sandra Kamutzki dieses spezielle Angebot. Sie erhoffe sich neben den inhaltlichen Aspekten auch die Erkenntnis, dass das Gegenüber mehr als nur ein politischer Gegner sei, so die Leiterin der Erwachsenenbildung in ihrer Begrüßungsrede.

Dass „Kirche ermöglicht Dialog“ kein typischer Wahlkampf-Talk sein würde, machte Superintendent Oliver Günther dann bereits mit der ersten Frage klar. Zu Beginn mussten Paul Ziemiak und Dietmar Bartsch zunächst beantworten, was sie an ihrem jeweiligen Gegenüber schätzen. „Dietmar Bartsch versteht es, den Nagel auf den Kopf zu treffen“, lobte Paul Ziemiak. Außerdem schätze er dessen Humor und die Möglichkeit, immer ein offenes Gespräch führen zu können. Seit sie sich kennen, habe zwischen ihnen immer ein „Ping Pong der Argumente“ stattgefunden, sagte Ziemiak und gab so schon einen Ausblick auf das, was noch folgen sollte. Sich immer mit ihm austauschen zu können, das schätzt auch Dietmar Bartsch an Paul Ziemiak. Das sei nicht die Normalität im politischen Berlin, verriet er und von der CDU-Führung auch nicht immer gern gesehen. „Dazu braucht es Mut und den har er“, attestiere Bartsch dem „Kämpfer“ Ziemiak.

Humanismus als gemeinsamer Nenner

Nach dieser gegenseitigen Wertschätzung lenkte der Superintendent die Diskussion langsam auf die inhaltliche Ebene. „Was ist unverhandelbar?“, fragte er die beiden Politiker. „Humanismus“ antwortete Bartsch und nutzte die Frage, um ein Thema zu platzieren, das seiner Partei besonders am Herzen liegt. „Ich finde es inakzeptabel, dass Kinder nicht die gleichen Chancen haben.“ „Wenn es um die ganz grundsätzlichen Dinge geht, gibt es keinen Dissens“, pflichtete ihm Ziemiak bei. Ihm sei auch das „C“ bei seiner Christlich Demokratischen Union wichtig.  Unterschiede gäbe es nur bei der Bewertung der Maßnahmen und der Frage „Wie kommt man ans Ziel“, eröffnete Ziemiak den Schlagabtausch.

An Eltern ausgezahlte Sozialleistungen kämen oft nicht bei den Kindern an, einfache Forderungen wie die Erhöhung der Sozialleistungen reichten daher nicht aus, so Ziemiak. Stattdessen müssten die Schulen und auch Vereine gestärkt werden und etwa allen Kindern ein Frühstück und der Zugang zu Freizeitaktivitäten ermöglicht werden. Bartsch kritisierte, dass die Kinderarmut in Deutschland so hoch wie noch nie sei und stellte den fehlenden Mitteln für Sozialleistungen den aus seiner Sicht zu hohen Verteidigungsetat gegenüber, wodurch er die hitzigste Phase der Debatte an diesem Abend einleitete.

„Die Sicherheit Deutschlands und Europas gegen Kinderarmut aufzuwiegen ist falsch“, echauffierte sich Ziemiak. Seiner Partei sei immer vorgeworfen worden, die Bundeswehr kaputt gespart zu haben. Deutschland stünden genug Mittel zur Verfügung und auch er priorisiere die Chancengleichheit für Kinder höher, allerdings lägen die Probleme im Bildungssektor auch und besonders am Personalmangel. Bartsch ließ jedoch nicht locker und kritisierte auch die vergangenen Bundeswehreinsätze in Afghanistan und in Mali. Abrüstung und Diplomatie seien der richtige Weg. „Dampf ist im Kessel“, stellte der Superintendent fest. Trotz der offensichtlichen Meinungsverschiedenheit sehe er bei beiden die Grundsehnsucht, dass „dieser und alle anderen Kriege ein Ende finden.“

Gelingende Integration durch Offenheit

Das nächste große Thema sollte die Integration sein. Provokant fragte der Superintendent, warum dieses Thema scheinbar den Rechtspopulisten überlassen werde. „Das überlassen wir denen nicht“, wehrte sich Bartsch. Das Thema müsse ent-emotionalisiert werden und gemeinsam müssten alle dafür kämpfen, dass Integration ein Gewinn für beide Seiten ist. „Die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland gelten für alle“, stellte er dabei klar.

Ziemiak plädierte für eine gegenseitige Offenheit, damit Integration gelingen kann und erzählte in diesem Zusammenhang auch von seiner eigenen Vergangenheit. Ohne Sprache funktioniere Integration nicht, deshalb müssten solche Dinge eingefordert werden, so Ziemiak. Den Erfolg der Populisten beider Seiten auf Social Media erklärte er mit der Einfachheit der Forderungen, ob es nun „Ausländer raus“ oder „Alle dürfen kommen“ sei. Eine komplexe und differenzierte Betrachtung sei notwendig, jedoch schwieriger zu kommunizieren.

Was eigentlich soziale Marktwirtschaft sei, wie sich die Politik durch den Einzug der AfD in den Bundestag verändert habe und warum nicht bei mehr Themen auf das Wissen und den Rat von Fachexperten gesetzt werde, waren weitere Fragen, die der Superintendent den beiden Politikern der Linken und der CDU stellte. Auch hier zeigte sich, dass Ziemiak und Bartsch durchaus ähnliche Grundwerte teilen und nur in der Bewertung der richtigen Maßnahmen die Meinungen auseinander gehen.

Lust auf mehr

Bartsch wünsche sich für das Land einen demokratischen Sozialismus, in der es auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Einzelnen, nicht auf die Herkunft ankomme. Davon sei Deutschland noch weit entfernt, doch es brauche Begrenzung von Armut und Reichtum und linke Positionen seien wichtig im demokratischen Diskurs, sagte er mit Blick auf die anstehenden Wahlen. Der Mensch sei zur Freiheit berufen, sagte Ziemiak, brauche jedoch auch Solidarität. Das deutsche System müsse weltweit keinen Vergleich scheuen und es gäbe genug Einnahmen, um alle Herausforderungen zu meistern. „An der Frage des Geldes wird es nicht scheitern“, es komme darauf an, jeden Euro effizient zu nutzen, sagte er auf eine Frage aus dem Publikum, die zum Abschluss von beiden Diskutanten beantwortet wurden.

Am Ende bedankte sich Superintendent Oliver Günther bei seinen beiden Gästen, die sich, wie mit dem Veranstaltungsformat beabsichtigt, nicht nur als Repräsentanten ihrer jeweiligen Parteien, sondern auch als Mensch und Persönlichkeit präsentiert hatten. Die gelungene Debatte machte Lust auf weitere Ausgaben von „Kirche ermöglicht Dialog“.