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Nach 35 Jahren: Pfarrer Wolfgang Kube geht in den Ruhestand

Es ist der Dritte Sonntag nach Trinitatis. Heute ist er nicht nur eine Nummer in der Reihe der vielen, sondern ein ganz besonderer Tag. An „Tagen wie diesen, wünscht man sich Unendlichkeit“. Zumindest hat es sich Pfr. Wolfgang Kube, der letzte Gemeindepfarrer der Kirchengemeinde Nachrodt-Obstfeld, so vorgestellt, denn er hat sich neben einigen anderen Liedern genau dieses für seinen Gottesdienst zur Entpflichtung und Verabschiedung gewünscht. Mit drei weiteren hat die Sängerin Ines Göge dieses im Gottesdienst vorgetragen. Vielleicht hat er es in den vergangenen Tagen selbst gesungen, denn es heißt dort: „Ich wart’ seit Wochen auf diesen Tag. Und tanz’ vor Freude über den Asphalt.“

Ob es zu Beginn auch so war? 1989, betrat ein unbekannter, junger, langhaariger Mann in Lederjacke die Nachrodter Kirche zum Gottesdienst. Er wollte die Gemeinde erleben, in der er auf Werben vom damaligen Superintendenten Weichenhahn später seinen Hilfsdienst als Pfarrer begann, auch wenn er dafür in ein Tal ziehen musste, in dem zwischen den Bergen die Sonne und das Licht viel früher als in Dortmund verschwunden waren, so Pfr. Kube.

Den Herrn will ich preisen zu jeder Zeit, Nie will ich aufhören, ihm zu danken. Was er getan hat, will ich rühmen. Aus derLesung vonPs 34, Pfrn. Mara Schwäbe und Nele Gerlach.

Nun, knapp 35 Jahre später, kommen sie herbei, die Gemeindeglieder und steigen die Stufen zur Kirche empor, um sich von ihrem Pfarrer zu verabschieden. Der, von allen Pflichten entbunden und von allen dienstlichen Aufgaben freigesprochen, fühlt sich vielleicht wie im zweiten der gewünschten Lieder: „An guten Tagen gibt es nur hier und jetzt. Schau‘ ich nicht links noch rechts, vielleicht nach vorn, doch nie zurück.“

Und dennoch muss es bei einem Abschied auch einen Rückblick geben, denn die fast 35 Jahre Lebenszeit in dieser Gemeinde wollen angesehen und gewürdigt werden.

Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit“

So heißt es in der Lesung aus dem Buch Kohelet im 3. Kapitel, dessen Verse 1-15 auch der Abschiedspredigt von Pfr. Wolfgang Kube zu Grunde lagen.

Es ist der Rhythmus der Natur und des Lebens, der von Gott bestimmt ist und der in diesem Text in Gegensatzpaaren wie zum Beispiel „geboren werden und sterben, einpflanzen und ausreißen, töten und Leben retten, niederreißen und aufbauen, weinen und lachen, wehklagen und tanzen“, beschrieben wird. Es sind Ereignisse und Zeiten, die dem Leben Struktur und Halt geben, Erfahrungen einordnen lassen, Geduld lehren und mit Enttäuschungen umzugehen, sagt Pfr. Kube und einladen im Hier und Jetzt zu leben und es zu gestalten. Denn so sehr der Text das Leben wie ein Schicksal beschreibt, in das sich zu fügen ist, so sehr ist mit dem Wort „Alles hat seine Zeit“ auch der „Kairos“ gemeint, der entscheidende Augenblick, der richtige Zeitpunkt in dem gehandelt werden muss. So, wie es Jesus getan und die ethischen Grundsätze der Gerechtigkeit Gottes immer wieder in den Mittelpunkt gerückt hat, bricht auch heute die Zeit der Veränderung, der Erneuerung und der Hoffnung immer wieder neu für uns an. 

„Nicht alles geschehen lassen, die Stimme erheben und immer wieder mal die Lederjacke anziehen!“

So lautet sein Wunsch für die, inzwischen in die Gesamtgemeinde, die Ev. Trinitatis Kirchengemeinde Mark, eingegangene Gemeinde. Es sind deren Menschen, darunter die vielen engagierten Mitarbeiter*innen, die er als offen, vorausschauend und mit „der Bibel unter dem Arm“ erleben und mit ihnen zusammenarbeiten durfte. Ihnen gilt sein besonderer Dank, bei dem er einige der Älteren persönlich stellvertretend für viele nennt. Wahrscheinlich sind sie es, für die er sich als Dank das Lied gewünscht hat: „Ein hoch auf uns! Wer friert uns diesen Moment ein? Besser kann es nicht sein. Denkt an die Tage, die hinter uns liegen. Wie lang wir Freude und Tränen schon teilen.“

Daran kann auch die Superintendentin Martina Espelöer bei ihrer Ansprache zur Entpflichtung und Verabschiedung von Pfr. Wolfgang Kube anknüpfen. „Die Kirchengemeinde Nachrodt-Obstfeld waren Sie, lieber Herr Kube. Sie sind / waren der Pfarrer im Ort, präsent bei den Gemeindegliedern oder wenn Sie mit Ihrem Hund eine Runde drehten. Und nun gehen Sie in den Ruhestand.“

„Meine Zeit steht in deinen Händen, nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in Dir.“

Der anstehende Ruhestand spielte auch bei der Planung der Umgestaltung der Kirchengemeinden Altena, Nachrodt und Wiblingwerde zur Trinitatiskirchengemeinde Mark eine große Rolle, so die Superintendentin. Denn mit seiner Erkenntnis, dass nach seinem Weggang die Pfarrstelle nicht wieder besetzt würde, hat Pfr. Kube dazu beigetragen, das Interprofessionelle Pastoralteam auf den Weg zu bringen und in diesem Zuge die Vereinigung der Gemeinden begleitet und auch sein Presbyterium darauf vorbereitet. „Sie waren offen für Veränderungen, für pragmatische Lösungen, die aufzeigen, wie es weitergehen kann. Dafür danke ich Ihnen sehr!“

Aber es gab auch andere Zeiten. Zeiten des Aufbruchs, die vor allem zwischen 2006 – 2012 lagen. Es waren diese besonders intensive, kreative und erfolgreiche Jahre der Gemeindearbeit, aus denen die Superintendentin einige Elemente aufzählte: „Die offene Geisteshaltung, Diskussionsfähigkeit in Bibelseminaren, Bibel aktuell – nichts für Fromme, Religiöse Bildung, Familienaktionen und -feste, Helfen und helfen lassen, Vater-Kind-Seminare, Bau des neuen Kindergartens und, und, und. Das Thema Bildung hat Sie beschäftigt. Sie haben in der Erwachsenenbildung des Kirchenkreises und in der Männerarbeit mitgearbeitet, ebenso im Trägerverbund für Kindertageseinrichtung. Lange Zeit haben Sie Religionsunterricht gegeben – und haben mit der damit verbundenen finanziellen Unterstützung zum Erhalt Ihrer Pfarrstelle beigetragen.“

Einige Einschnitte mussten die Gemeinde und ihr Pfarrer aber auch verarbeiten, der Verkauf des Gemeindehauses an der Schillerstraße und der Abschied vom Alten und Neuen Friedhof. „Und schließlich die Vereinigung von Altena, Nachrodt und Wiblingwerde zur Kirchengemeinde Trinitatis Mark mit dem ersten Interprofessionellen Pastoralteam des Kirchenkreises Iserlohn“, fügte die Superintendentin an. Doch mit dieser Vereinigung soll die Gemeindearbeit gesichert fortgeführt werden.

„Gott im Himmel hat an allen seine Lust, sein Wohlgefallen, kennt auch dich und hat dich lieb“

Vielleicht ganz so, wie auch Pfr. Kube seine Arbeit verstanden hat. „Der heutige 3. Sonntag nach Trinitatis schlägt die Gleichnisse vom Verlorenen auf: Vom verlorenen Sohn, dem verlorenen Groschen, dem verlorenen Schaf. Sie zeigen Gottes Bemühen mit dem Ziel auf, das Verlorene in die Gemeinschaft, die er selbst schafft, ja, selbst ist zurückzuholen“ sagt die Superintendentin, denn es sind auch die Gleichnisse vom Gefunden werden. Und wer sich finden lässt, ist eingeladen zu dem großen Fest.

„Das gilt auch nun alles für Sie, lieber Herr Kube. Wenn Sie einen neuen Weg einschlagen, werden Sie von den Augen dieses Gottes geleitet und geführt. Wir entlassen Sie aus dem Amt als Gemeindepfarrer, er entlässt Sie aber nicht aus seiner Gnade und Freude. Ziehen Sie Ihre Straße fröhlich! Amen.“

Mit den Segensvoten von Vertreter*innen des Presbyteriums, der Pfarrerin und der Gemeindepädagoginnen des IPTs und dem Segen der Superintendentin wurde Pfr. Kube dann seinen Pflichten und Aufgaben als Pfarrer der Trinitatis Kirchengemeinde Mark enthoben und aus seinem Dienst entlassen. Als Dank für seine geleistete Arbeit bekam er einen minutenlangen stehenden Applaus der Gemeinde.

Was macht nun Pfr. Kube? Er will zurück nach Dortmund in sein Elternhaus mit seiner Familie ziehen, denn da kommt er her. Alles weitere konnte dann beim anschließenden Empfang mit Imbiss geklärt und besprochen werden. Doch zuvor intonierte die Organistin Gudrun Plaumann zum Abschluss des Gottesdienstes den Gefangenenchor, aus der Oper Nabucco, von Giuseppe Verdi in dem es heißt: „Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen, lass dich nieder auf jenen Hängen und Hügeln, wo sanft und mild der wonnige Hauch der Heimaterde duftet.“

Text und Fotos: Bernhard Laß