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Mit Zuversicht ins Neue Jahr

Ohne Wenn und Aber werden wir von dem Wort des Evangeliums von Jesus Christus auf einen Weg gerufen,
auf dem wir erkennbar sein sollen als Licht der Welt und Salz der Erde.

Liebe Leserinnen und Leser, ein solcher Ruf trifft auf mehr Fragen als Antworten. Er trifft uns vielleicht als welche, die Vieles zu bieten haben, aber
möglicherweise gerade nicht Zuversicht im Überfluss. Was können wir in die Waageschalen unseres Denkens, Glaubens und Handels legen?

Ich nehme Sie mit auf einen Ausflug. An einem Wochenende im Oktober haben mein Mann und ich ein Restaurant besucht. Der Tisch, an dem wir saßen, and sich direkt an einer Fensterbank. Darauf stand eine sehr alte Waage. In den hängenden Waagschalen, wie bei Justitia, lagen kleinere und größere weiße Steine. Wir begannen beide irgendwie ganz automatisch die Steine von einer Waageschale in die andere zu legen. Als der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen, hatten wir vergessen zu wählen und mussten lachen. Zu spannend war es, das Zünglein an der Waage ins Gleichgewicht zu bringen.

Ich stellte mir vor, mit den Menschen im Lokal die Steine zu beschriften und zu sortieren. Was bekommt die Oberhand? Naja, typisch Pfarrerin, ich musste meine Kreativität zügeln. Aber in meinen Gedanken entstanden Worte, die ich in die eine Schale und Worte, die ich in die andere Schale legte. Gewalt, Hass und Krieg wogen schwer. Wie sollte die Hoffnung es schaffen, ein Gegengewicht herzustellen? Ungerechtigkeit, Krankheit, Tod wogen schwer. Wer oder was kann es mit diesen Schwergewichten aufnehmen?

Verlag: www.verlagambirnbach.de

So suchte ich den größten Stein heraus und nannte ihn „Liebe“ – nein, nicht nur Liebe, sondern auch die dazugehörige Tat wie in der Jahreslosung: Alles eure Dinge lasst in der Liebe geschehen (1. Korinther 16,14) und einen anderen großen, den nannte ich „Gemeinschaft“. Und dann nahmen meine Gedanken Fahrt auf: Gemeinsam Wege gehen, im Gespräch bleiben, innehalten, Zeit für Tränen, Zeit für Mitgefühl. Meine Waagschale der Zuversicht füllte sich und nahm zu an Gewicht und Bedeutung. Mir wurde deutlich, dass es eine bewusste Haltung braucht, sich nicht vom Gewicht der Gegenseite hereinnahmen zu lassen. Sie ist ja da, diese Macht der Welt und auch in mir gibt es das ja: Ungeduld, unfriedliche Gedanken, jemandem Unrecht getan haben. Und dann wiegen Versöhnung und das Wagnis der Vergebung so viel auf, dass ich staune und zu neuen Ufern gelange.

Was ich gegessen habe? Ich weiß es nicht mehr so genau, es war lecker. Die Waage habe ich innerlich mitgenommen und stelle mir doch hin und wieder vor, ich hätte die Besucher des Restaurants in meine Gedanken einbezogen – Jedenfalls ist mir im Verlauf des Herbstes etwas zugefallen, was für mich überraschend ein echtes Gegengewicht mitgebracht hat: Ein Buchtitel. Amelie Maria Weber ist 28 Jahre alt, Journalistin und hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Generation Krise“ – aber das Wort „Krise“ hat sie in grün durchgestrichen und „Hoffnung“ als Schriftzug darunter gesetzt, so halb raufgeschrieben. Sie will nicht einfach nur zu einer Generation Krise gehören mit Krieg und Pandemie, mit Smartphone-Sucht und Wokeness-Diskussionen. Sie will „Hoffnung“ dagegensetzen, lässt Menschen zu Wort kommen, die mit ihrem Leben Sinn und Gemeinschaft in diese Welt bringen – um Kirche geht es dabei nicht.

Dieser Buchtitel hat nun endgültig dazu geführt, dass die Waagschale der Zuversicht das Gegengewicht hält und die Hoffnung nicht oben baumelnd verhungert lässt. Da sind Menschen um uns herum, auch junge Menschen, die für sich diese bewusste Haltung des Gegengewichts leben. Sie streichen etwas sichtbar durch. Nein, so nicht. Für Hoffnung wollen wir einstehen.

Liebe Leserinnen und Leser, das Wort der Hoffnung ist so lebendig, dass es sich Wege sucht, zu uns zu gelangen, sich auszusäen und zu sprießen. Da sind junge Leute, die sich von all dem, was auch dagegen spricht, nicht unterkriegen lassen. Die nicht polemisch oder zynisch werden, die Ideen haben von einer Welt von morgen, einer Welt, die 2024 auf uns, die guten Willens sind, wartet. Wie wär`s: Nehmen Sie einen Stein und schreiben Sie darauf was Ihnen Kraft gibt. Wo auch immer er liegt, wird er ein Gegengewicht bilden und möglicherweise anderen als Wegweiser dienen.

Ich wünsche Ihnen Segen und Zuversicht für das Neue Jahr 2024!
Ihre Martina Espelöer