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Gemeinsam da sein, wo Menschen Unterstützung brauchen

Superintendent Oliver Günther und theologischer Geschäftsführer Matthias Börner besuchen diakonische Einrichtungen

Superintendent Oliver Günther besucht diakonische Einrichtungen der Diakonie Mark-Ruhr im Ev. Kirchenkreis Iserlohn. Begleitet wurde der Superintendent von Matthias Börner, dem theologischen Geschäftsführer der Diakonie Mark-Ruhr. Gemeinsam gingen sie ins Gespräch mit Mitarbeitenden und leitenden Angestellten der Einrichtungen. Fachkräftemangel, bevorstehende Mittelkürzungen und gesellschaftliches Klima beschäftigen die Mitarbeitenden.

Die beiden Pfarrer verschafften sich vor Ort einen Eindruck der wichtigen Arbeit und wollten von den Verantwortlichen vor allem auch wissen, womit sie momentan zu kämpfen haben und wie sie dabei am besten unterstützt werden können. Kürzungen bei Fördermitteln, bei Kommunen, im Landeshaushalt, im Bundeshaushalt und gestiegene Kosten bringen diakonische Einrichtungen im ganzen Land unter Druck, ihre Angebote im Dienst der Menschen bedarfsgerecht aufrecht zu erhalten. Eines war allerdings schon vor dem Besuch klar und wurde an diesem Tag nur noch deutlicher: Nur gemeinsam können Diakonie und Kirche die Herausforderungen dieser Zeit bestehen. „Kirche und Diakonie, da möchte ich gar nicht differenzieren“, sagte Superintendent Oliver Günther.

Ev. Jugendhilfe Iserlohn-Hagen

Die erste Station führte Superintendent Oliver Günther und Matthias Börner in eine Außenwohngruppe der Evangelischen Jugendhilfe Iserlohn-Hagen (EJH), einem Komplexträger für umfassende Hilfen zur Erziehung. Besucht wurde die integrative Außenwohngruppe in Hemer, die Kindern und Jugendlichen ab Schulalter, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie leben können, ein Zuhause bietet. Diese Wohngruppe, die 1989 als erste dezentralisierte Einrichtung gegründet wurde, steht exemplarisch für den Wandel in der Jugendhilfe: Weg von klassischer Heimerziehung hin zu kleineren, wohnortnahen und teilhabeorientierten Betreuungskonzepten. „Ich wusste gar nicht, dass in meiner Nachbarschaft eine Wohngruppe ist“, hören die Verantwortlichen oft von Anwohnern. Unter anderem ist es diese Integration in die Nachbarschaft, die dazu beiträgt, gesellschaftsanaloge Bedingungen für die Kinder und Jugendlichen zu schaffen.

2026 wird die EJH 250 Jahre alt und gehört damit zu den ältesten diakonischen Einrichtungen Deutschlands. „Die flexible Anpassung an aktuelle Bedarfe prägt unsere Arbeit bis heute“, betonte Geschäftsführer Reinhard Meng. Gemeinsam mit Regionalleitungen und Gruppenverantwortlichen gab er Einblicke in die vielfältigen Angebote der EJH, die sich nicht nur auf Iserlohn, sondern auch auf Hagen und Witten erstrecken.

Die rund 600 Beschäftigten der EJH engagieren sich in verschiedenen Bereichen, darunter stationäre Wohnformen, ambulante Hilfen, Einrichtungen für junge Erwachsene, Eltern-Kind-Angebote sowie spezialisierte Wohnformen für junge Straftäter. Ergänzt wird das Angebot durch offene Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Berufshilfe und Ganztagsbetreuung an Schulen. Auch Tageseinrichtungen für Kleinkinder gehören zur Trägerschaft der EJH.

Ein Schwerpunkt des Besuchs war der Alltag der Kinder und Jugendlichen in der integrativen Außenwohngruppe in Hemer. Sie leben in einem Einfamilienhaus mit großem Außengelände, betreut von Fachkräften, die individuelle Bedürfnisse und Förderungen berücksichtigen. Trotz gemeinsamer Betreuung bleibt die Bindung zu Herkunftsfamilien – sofern möglich – erhalten. Die EJH arbeitet systemisch, bezieht Bezugspersonen ein und schafft Räume für positive Begegnungen.

Der steigende Bedarf an Jugendhilfe geht mit vielfältigen Herausforderungen einher. Individuelle Lebenssituationen erfordern maßgeschneiderte Lösungsansätze. „Es ist eine Herzensangelegenheit, diesen jungen Menschen Perspektiven zu geben“, so Meng. Gleichzeitig werden die Herausforderungen durch Fachkräftemangel, steigende Kosten und die hohe Belastung der Mitarbeitenden verschärft – Themen, die auch in anderen Einrichtungen immer wieder zur Sprache kamen.

Soziale Dienste der Diakonie Mark-Ruhr

Eine nächste Station war die Wohnungslosenhilfe im Zentrum von Iserlohn. Dort stellten sich neben der dort beheimateten Einrichtung die weiteren Arbeitsbereiche der Sozialen Dienste vor: Die Suchtberatung, die Beratungsstelle Arbeit und der Bereich Migration und Flucht. Aus allen Stellen gab es Zahlen, Daten und Fakten, aber auch ganz persönliche Eindrücke und individuelle Fallbeispiele. Alle Beratungsdienste sind in einem stetigen Kampf für eine ausreichende Finanzierung. Insbesondere ungesicherte und zeitlich befristete Zusagen von Fördermitteln erschweren hierbei die Gewinnung und den Erhalt qualifizierter Mitarbeitender. Neben den Kernaufgaben fungieren die Mitarbeitenden zunehmend als Ausfallbürgen für staatliche Aufgaben, indem sie Lücken in der öffentlichen Versorgung auffangen. Gleichzeitig berichteten alle Verantwortlichen von einem rauer werdenden politischen und gesellschaftlichen Klima.

„Die zunehmende gesellschaftliche Stigmatisierung der Klienten drückt sich auch in der zurückgehenden Förderung der Arbeitsbereiche aus“, fasste Pfarrer Matthias Börner zusammen, „das ist fatal.“ „Barmherzigkeit konkurriert mit Härte“, sagte Pfarrer Oliver Günther. „Als Gesamtgesellschaft müssen wir uns die Frage stellen, wie wir mit diesem Werteverfall umgehen.“ Es brauche den Schulterschluss zwischen Kirche und Diakonie, das waren sich alle Anwesenden einig, damit gemeinsam weiter für die Rechte und Bedürfnisse der Menschen am gesellschaftlichen Rand eingestanden werden kann.  „Es ist ein bedauerlicher und alarmierender Zustand, dass grundlegende, existenzsichernde Beratungen, die für viele Menschen in schwierigen Lebenslagen unerlässlich sind, in unserem Land in Frage gestellt werden oder vor dem finanziellen Aus stehen – und das angesichts durchweg steigender Frequentierung der Angebote“, kritisiert Pfarrer Matthias Börner.

Diakonie Mark-Ruhr Teilhabe und Wohnen

Zum Abschluss ging es zur Diakonie Mark-Ruhr Teilhabe und Wohnen (DMR-T&W) in der Bodelschwinghstraße, wo Geschäftsführer Christian Müller, Bereichsleitung Samantha Lovick und die Leiterin der Geschäftsstellenverwaltung Monique Knappstein über ihre Arbeit berichteten. Die DMR-T&W begleitet, berät und unterstützt Menschen mit Behinderung, psychischer Erkrankung und Abhängigkeitserkrankung sowie deren Angehörige und Bezugspersonen. Verschiedene Wohn- und Förderangebote für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und älter werdende Menschen ermöglichen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Auch hier sind Fachkräftemangel und der steigende finanzielle Druck Thema. „Wenn wir nicht einstehen – auch sozialpolitisch – für die Dinge, die uns wichtig sind, werden wir durchgereicht“, so der Geschäftsführer, der selbst Anfang November an der Großdemonstration „NRW, bleib sozial!“ in Düsseldorf gegen die Sozialkürzungen teilgenommen hatte.

Doch auch hier gab es, wie auch in den anderen Bereichen, Mut-machende Erfolgsgeschichten zu erzählen, wie vom Büro für leichte Sprache, das deutschlandweit Texte in leichte Sprache übersetzt und diese von Betroffenen vor der Freigabe prüfen lässt, oder vom Fachpflegedienst, der auf die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen zugeschnitten „alles aus einer Hand“ bietet. Besonders gelingen Projekte, die von verschiedenen Akteuren vor Ort gemeinsam umgesetzt werden, berichtete Christian Müller und verwies auf das Leuchtturmprojekt in Lendringsen, wo die Diakonie und die Kirchengemeinde gemeinsam mit weiteren Unterstützern das gesamte Quartier um die Christuskirche neu gestalten und zu einem Lebenszentrum machen.

Superintendent Oliver Günther war dankbar für die vielen Eindrücke und tauschten sich bereits auf der Rückfahrt mit Matthias Börner darüber aus, wie die vielen engagierten Mitarbeitenden bei ihrer wertvollen Arbeit und den vielfältigen Herausforderungen am besten unterstützt werden können.