Demut als siebter Sinn
Superintendent Oliver Günther hält im Rahmen des Spirituellen Sommers einen Vortrag in der Kapelle im Ortlohnpark
„Unsere Sinne sind das Tor, durch das wir gehen, um Gott zu begegnen“, sagte Superintendent Oliver Günther. Sinne, das war der Titel des Vortrags des Superintendenten, zu dem der Förderverein Kapelle & Pavillon Ortlohnpark geladen hatte, genauer gesagt „SINN(E) – Ich in der Welt“. In der gut gefüllten Kapelle waren die Zuhörerinnen und Zuhörer gespannt, was der Superintendent zu diesem Thema zu sagen hätte und dieser stellte zunächst die Bedeutung der Sinne aus theologischer Sicht heraus: „Unsere Sinne sind die Tür, die uns einen Zugang zum Glauben ermöglichen.“
Zu allen fünf Sinnen – hören, schmecken, riechen, sehen und fühlen – hatte Oliver Günther Bibelstellen mitgebracht und dazu noch eines aus seiner eigenen Biographie. „Wenn ich ein halbes Hähnchen esse, benutze ich alle Sinne gleichzeitig“, so habe er es von seiner Großmutter im Ruhrgebiet gelernt. Was für die Sinneswahrnehmung den Menschen gilt, gelte im Umkehrschluss auch für Gott. Auch dieser benutzt seine Sinne, hört beispielsweise das Klagen seines Volkes. Jesus heilt durch Berührung. Durch die Sinne entstehe Kommunikation und Beziehung.
Bei den Menschen seien die Sinne unterschiedlich stark ausgeprägt, deshalb habe jeder Mensch auch unterschiedliche Stärken und Schwächen, auch in Bezug auf den eigenen Glauben.
Nun wendete sich der Superintendent dem zweiten Teil des Leitthemas zu: „Ich in der Welt“. Was ist das eigentlich für eine Welt und wie hat diese sich im Lauf der Jahrzehnte verändert, fragte er. „Wir leben in einer Zeit der maximalen Reizüberflutung. Sämtliche Sinne sind überfordert“, so Oliver Günther. Mit der Verarbeitung der Informationsflut, sei das Gehirn maßlos überfordert.
Deshalb spiele die Vernunft eine sehr wichtige Rolle, auch aus christlicher Perspektive. Sie sei der sechste Sinn, der es den Menschen überhaupt ermöglicht habe, so erfolgreich zu sein, obwohl er bei den anderen Sinneswahrnehmungen den meisten anderen Lebewesen unterlegen ist. „Lehre uns bedanken, dass wir sterben, auf das wir klug werden“, zitierte der Superintendent Psalm 90,12 und schob die katholische Version gleich hinterher: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst.“ Er schloss eine weitere persönliche Anekdote aus seiner Zeit an der katholischen Realschule an. Die katholische Tradition des Aschekreuzes habe ihn als Kind sehr fasziniert.
Heute erinnere ihn diese christliche Tradition an eine Geisteshaltung, über die es sich nachzudenken lohnt: Die Demut, aus christlicher Sicht der siebte Sinn für den Superintendenten. Die Demut sei aus der Mode gekommen, werde verdrängt von anderen Geisteshaltungen wie Narzissmus und Wettbewerbsorientierung. Doch schon Jesus habe Demut vorgelebt, etwa indem er anderen die Füße wusch.
Die Psychologie definiere die Demut als das Vermögen, sich selbst akkurat einzuschätzen und mit diesem Bild von sich selbst einverstanden zu sein. Dort klängen die theologischen Dimensionen Gnade und Güte mit, so der Superintendent. Wer demütig lebt, habe weniger depressive Symptome, führe bessere soziale Beziehungen und werde von schlimmen Ereignissen weniger hart getroffen.
Die Demut habe also positive Effekte und sei wichtig, für das Individuum und die gesamte Gesellschaft. „Wir beuten die Natur rücksichtslos aus. Wir respektieren die persönlichen Limits nicht“, mahnte der Superintendent. „Im Großen reden wir über Erschöpfungsdepression, die übrigens nicht nur Individuen überkommt, sondern ganze Gesellschaften, Institutionen und Organisationen gefangen nimmt.“ Demut zerstöre Illusionen, helfe dabei, Wahrheiten zu erkennen und dabei, in neue Richtungen denken zu können.
Doch kann man Demut üben? Eine Ärztin habe ihm einmal gesagt, um demütig zu sein bedürfe es weniger eines Übens als eines Sich-Öffnens. Das wolle er den Zuhörerinnen und Zuhörern mit auf den Weg geben. „Öffnen Sie Ihre Sinne“, so der Superintendent. Demut, das sei eine Verneigung vor dem Leben, vor anderen und vor sich selbst, auch wenn das wie ein Widerspruch klinge. Und Demut sei auch eine Verneigung vor dem Schöpfer.
Karin Schimmel, 1. Vorsitzende des Fördervereins und Organisatorin der Veranstaltung, bedankte sich für den Vortrag. Sie sei „angereichert und angefüllt“ sagte sie und sprach damit wohl für die meisten Besucher in der Kapelle. Für jeden Gast gab es noch ein Souvenir: Einen kleinen Schmetterling aus Papier, passend zum Motiv des Spirituellen Sommers, als Teil dessen der Vortrag stattgefunden hatte.
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