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Misteln zerstören Linden auf Friedhof – Kirchengemeinde sorgt sich um Verkehrssicherheit

Hemer. Unfrieden herrscht derzeit auf dem evangelischen Friedhof an der Kantstraße in Hemer. Da die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben war, mussten Linden gefällt werden, was wiederum zu Unmut bei Friedhofsbesuchern führte. „Wir sind echauffiert, wie die ausführende Firma angegangen wurde“, so Kirchmeister Jörg Schulz.

Einmal pro Jahr ist die Kirchengemeinde dazu veranlasst, ihren Baumbestand sämtlicher Liegenschaften kontrollieren zu lassen, sei es auf dem Friedhof, an Kindertagesstätten oder auch an den Kirchen und Gemeindehäusern. Bei einer dieser regelmäßigen Kontrolle wurde am Friedhof an der Kantstraße vom Hemeraner Baumpfleger und Baumkontrolleur Frank Busemann festgestellt, dass von etlichen Bäumen eine Lebensgefahr ausgeht. Gerade die große Linden stellen dabei eine Gefahr da. In der Vergangenheit sind bereits mehrere Äste heruntergekommen.

Bei den großen Linden handelt es sich um Bäume der ersten Stunde. Teilweise haben sie eine Höhe von 25 Metern und einen Stammdurchmesser von 1,50 Meter. Kaum ein Baum hat wie die Linde das Potenzial, 1000 Jahre alt zu werden. Die betreffenden Linden sind allerdings erst etwa 100 Jahre. Starker Mistelbesatz führte jedoch dazu, dass die Fällung alternativlos ist. Misteln sind Schmarotzer und entziehen dem Baum die Nährstoffe. Busemann vergleicht Misteln und auch Efeu mit hartnäckigen Krebsgeschwüren, die man nur sehr schwer wieder los wird.

Kommt es wie jetzt auf dem Friedhof an der Kantstraße zum Befall an den Tragästen, mag man sich nicht ausmalen, was alles passieren könnte. Beispielsweise stehen betroffene Bäume auch an den Grundstücksgrenzen, wenn die Bäume dann auf den Garten der angrenzenden Privathäuser, in dem wohlmöglich Kinder spielen, fallen würden, wäre das eine Tragödie.

Das Gefährliche an der Mistel ist die rasende Ausbreitung. „Bis man die Mistel von unten sieht, ist es meist schon zu spät“, gibt der Fachmann Busemann zu bedenken. War zunächst nur geplant, zwei Linden zu fällen, hat eine genaue Betrachtung ergeben, dass leider sechs Linden nicht zu retten sind. Busemann und seine Firma haben beim Befahren mit dem Hubsteiger sowie beim Besteigen größere Schäden als vermutet festgestellt. „Wir hätten auf Dauer eine große Gefahrenstelle gehabt“, erläutert Busemann die Entscheidung zum Fällen, die selbstverständlich in enger Absprache mit der Kirchengemeinde erfolgte. Dass ihm selbst die Entscheidung nicht leicht gefallen ist, zeigt seine Aussage: „Ich lebe von der Baumpflege, nicht vom Fällen.“

Vor dem Fällen wurden selbstverständlich alle betroffenen Stämme dahingehend kontrolliert, ob sich in ihnen keine Säugetierhöhlen befinden. „Wir wollen ja keine geschützten Arten stören oder gefährden“, so Busemann.

Einige entsetzte Friedhofsbesucher wollen sich damit aber nicht zufriedengeben, auch wenn Busemann als Fachmann über die entsprechende Expertise verfügt. So schlimm wäre der Befall gar nicht gewesen. Außerdem wird moniert, dass mit der Fällung der Linden das schöne Erscheinungsbild des Friedhofs, parkähnlich, zum Negativen hin verändert wurde. Immer wieder versuchten Busemann und seine Mitarbeiter im Dialog das Vorgehen zu erläutern. Davon wollte man aber teilweise nichts wissen. Es wurden Behörden wie Polizei, Stadt und Kreiskirchenamt eingeschaltet. All diese Instanzen sind jedoch nicht verantwortlich und in der Haftung, wenn denn dann etwas passiert. Die Verantwortung liegt alleine in der Hand der Kirchengemeinde.

Besonders zu Kopfschütteln bei den Verantwortlichen führte die Tatsache, dass Busemann einen angeblichen Anruf vom Kreiskirchenamt bekam, in dem ihm befohlen wurde, die Maßnahmen sofort zu stoppen. Zahlreiche Anrufe mit teilweise auch Beschimpfungen erreichten auch Katja Große, die Gemeindesekretärin, die für die Friedhofsverwaltung zuständig ist.  Allerdings blieb es nicht nur bei den Anrufen. Auch Busemanns Mitarbeiter vor Ort auf dem Friedhof wurden an den Arbeiten gehindert und mitunter sogar bedroht sowie Absperrungen einfach weggerissen.

Das Benehmen der erzürnten Friedhofsbesucher und die überkochenden Emotionen veranlassten Jörg Schulz und seine Stellvertreterin Petra Humbeil-Barsch sowie Pfarrerin Anja Martin, die derzeit den Vorsitz im Friedhofsausschuss innehat, nun dazu, öffentlich Stellung zu nehmen. Bei einem Rundgang auf dem Friedhof mit Frank Busemann wurde alles genau erläutert.

Momentan sind verschiedene Bereiche gesperrt, natürlich sind alle Beteiligten bemüht, die Nutzung des gesamten Friedhofsgeländes schnellstmöglich wieder vollumfänglich herzustellen. Aufgrund der Bedrohungslage gegenüber den Forstmitarbeitern ruhen derzeit die Arbeiten, welche aber fortgeführt werden sollen.

Wiederherstellen will die Kirchengemeinde auch auf jeden Fall den Baumbestand. „Selbstverständlich sind neue Bäume geplant“, so Kirchmeister Schulz. Dies soll unter fachmännischer Beratung erfolgen. Die Klimabedingungen verändern sich stetig, daher muss im Vorfeld klar sein, welche Baumarten passen. „Es sollten unbedingt mistelresistente Bäume angepflanzt werden“, gibt Busemann jetzt schon zu bedenken.

Nachhaltig sollen aber auch die gefällten Linden dem Friedhof erhalten bleiben. „Wir planen die Stämme zu Sitzhockern verarbeiten zu lassen“, so Pfarrerin Anja Martin.

Text und Foto: Annabell Brocke