Ehrenamtliches Engagement? Gott sei Dank gibt es auch heute Menschen aller Altersgruppen, die sich in vielen Bereichen ehrenamtlich engagieren. Aber ob eine Gemeinde noch einmal über mehr als ein Jahr Samstag für Samstag im Durchschnitt immer 15 Männer auf einer Baustelle zusammen bekommen würde? In den Jahren 1981 / 1982 war das in Iserlohn Lössel möglich. Aus einer Gruppe von ca. 30 Handwerkern mit Sachverstand, waren samstags 15 immer bereit eine komplette Kirche in Eigenleistung zu bauen.
Dank dieser Männer und dem, das Bauprojekt tragenden Kirchbauverein, unterstützt von einem tatkräftigen Umfeld: den Ehefrauen, vieler Firmen, dem Gemeindeverband, und einigen mehr, wurde wahr, wonach die stark gewachsene Gemeinde in Lössel, dem „Bergdorf am Himmel“ seit Jahren dürstete, eine eigene Kirche.
Dürsten, Denken, Danken waren dann auch die Stichworte, die Pfr. Ströhmann i. R. in seiner Predigt aus Psalm 42 im Blick auf das Kirchenjubiläum aufnahm. Er war als der damalige Gemeindepfarrer und damit quasi Bauherr der Kirche vor 40 Jahren, an seine alte Wirkungsstätte aus Burbach im Siegerland als Gastprediger zum Festgottesdienst mit seiner Ehefrau angereist.
Auch wenn es am Sonntag nicht die ca. 400 Gemeindeglieder waren, die sich damals zur Einweihung versammelt hatten, so konnte der jetzige Gemeindepfarrer Volker Horst von der Christus-Kirchengemeinde in Iserlohn zusammen mit dem Vorsitzenden des Evangelischen Kirchbau- und Förderverein Lössel e.V., Stefan Köhler, Gäste aus Nah und Fern, Ehemalige und heute Aktive der Gemeinde in der voll besetzten Kirche, zum 40jährigen Kirch-Jubiläum begrüßen.
„Es ist eine Kirche für die Menschen hier am Ort, ein Brunnen für das Leben, aus dem man immer wieder neu schöpfen kann“, sagte Pfr. Horst in seiner Begrüßung und dankte den vielen Helfer*innen der vergangenen 40 Jahre, die die Kirche zum Zentrum der Begegnung gemacht haben.
Gemeinsam gestaltete er mit Stefan Köhler und der Presbyterin Ulrike Schmidt die Liturgie. Musikalisch bereichert wurde der Gottesdienst von dem Posaunenchor unter Leitung von Friedhelm Leppert und Tom Köhler an der Orgel.
Damals wurde es eng
Lössel war ein ‚Boomdorf’, in dem in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, trotz Pillenknick und erstmals zu verzeichnenden Bevölkerungsrückgang in anderen Stadtteilen, die Bevölkerung durch den Zuzug junger Familien in neu ausgewiesene Baugebiete stark anwuchs.
Und so wurde der Gemeinderaum der Ev. Kirchengemeinde, der sich seit Anfang 1960 durch den Umbau des ehemaligen „Fabriksken“ Ising am Brunnenweg befand, zu klein und konnte die Anzahl der Gottesdienstbesucher*innen nicht mehr fassen. Und da auch die Gemeindegruppen in ihrer Anzahl und Größe weiter wuchsen, musste über den Bau neuer Gemeinderäume und eines neuen Gottesdienstraumes nachgedacht werden.
Doch bis der heutige Platz für den Kirchbau gefunden und genehmigt war, musste manch eine Hürde genommen werden. Schnell kristallisierte sich die Idee eines Kirchanbaus an das vorhandene Gemeindehaus als Favorit heraus. Allerdings war die enge Wohnbebauung um das mögliche Grundstück herum ein echter Knackpunkt. Pfr. i.R. Ströhmann: „Jeder Haus- und Grundstücksbesitzer musste dem Bauvorhaben zustimmen und uns eine Genehmigung erteilen. Doch die sieben Gemeindeglieder, die wir brauchten, um einen Kirchbauverein zu gründen, waren recht schnell gefunden. Aber dass wir eine Kirche in Eigenleistung und aus Spenden bauen wollten, davon mussten erst einmal das Iserlohner Großpresbyterium und die Landeskirche überzeugt werden und ihre Zustimmung dazu geben.“
Das Engagement hat sich gelohnt, denn gut 2 Jahre später konnte 1981 mit dem Bau in Eigenleistung begonnen werden. Aus dem Bautagebuch: „Freiwillige Arbeitsstunden insgesamt: 4550. Regelmäßige HelferInnen: 32 an 69 Samstagen, 24 anderen Tagen. Vier Regentage. Kein Unfall!“
Und dass gut ein Jahr später am 04. Juli 1982 diese Kirche eingeweiht werden konnte, sei der uneigennützigen, praktischen und finanziellem Unterstützung vieler Gemeindeglieder zu verdanken. Ein Fazit, das von den Bauverantwortlichen bei der Fertigstellung der Kirche gezogen wurde. 690.000 Mark betrugen die Gesamtbaukosten, jeweils 150.000 Mark kamen durch Spenden aus der Gemeinde und der Eigenleistung zusammen. 50.000 Mark gab die Stadt Iserlohn zum Bau dazu und der Rest wurde von der Gesamtgemeinde Iserlohn getragen.
Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? 1. Kor. 3,16
„Die Außenwände dieses Kirchbaues sind fast parallel zu den Grundstücksgrenzen angelegt. Somit ergab sich die äußere Form des Baukörpers. … Der Gottesdienstraum, der auch als Mehrzweckraum anzusehen ist, … hat nicht nur durch seine Mauern, sondern auch durch das Dach, mit seinen verschiedenen Neigungen eine besondere Form erhalten“, so Baumeister Eberhard Schmidt, Architekt in der Festschrift zur Einweihung. Eine Besonderheit ist der Lichteinfall durch ein Fenster im Glockenturm, in dem die älteste Glocke Iserlohns ihr Zuhause gefunden hat und vor wenigen Jahren durch eine kleine neue ergänzt wurde. Das Licht erhellt den Altarraum in besonderer Weise und hebt auch das Kreuz, das aus Eichenbalken alter Lösseler Häuser gefertigt ist und von den Ortsvereinen der Gemeinde geschenkt wurde, besonders hervor. Eine weitere Besonderheit weist das große Kirchenfenster an der Seite des Altarraums mit seiner Taube (Sinnbild des Heiligen Geistes) am oberen Rand auf. Die Taube fliegt nicht wie üblich nach unten in die Kirche hinein, sondern nach oben und damit quasi aus der Kirche heraus. Es ist das Bild für eine Gemeinde die als lebendiges Beispiel, in erster Linie eine Kirche nicht aus fest verbauten Steinen, sondern aus vielen Menschen und für viele Menschen ist, die den hier empfangenen Zuspruch, Geist und Segen hinaus in die Gemeinde trägt. Und so versteht sie sich auch heute, offen für alle die nach der guten Botschaft des Evangeliums dürstet und im Miteinander füreinander da sein wollen.
Von der „Handwerkerkirche“ zur „Brunnenkirche“
„Und wen dürstet, der komme; wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Off. 22,17b. Es war der Brunnen auf dem Grundstück von Alfred Westhelle, direkt neben der Kirche, aus dem im trockenen Sommer 1959 für die Bauarbeiten am Jugend- und Gemeindehaus Wasser entnommen werden durfte. Er ist einer der Brunnen, die Jahrhunderte lang die Wasserversorgung des Dorfes sicher gestellt und auch der Straße, an der er wie auch die Kirche liegt, den Namen gegeben hatte: Brunnenweg. Und da der Brunnen, die Quelle und das Wasser als zentrales biblisches Motiv für Jesus und den christlichen Glauben stehen, war der Namen der Kirche gefunden, auch wenn er eher selten für eine Kirche in Deutschland ist.
Empfang, Präsentation und geselliger Austausch
Aus dem Gottesdienst ging es im Anschluss einmal um die Kirche herum zum Sektempfang am darunter liegenden Gemeindehaus. Eine Ausstellung entlang der Stützmauer mit historischen Bildern und Artikeln gab einen Einblick in die Entstehungs- und Gemeindegeschichte. Eigens aufgestellte Bänke und Tische unter Pavillons luden bei Speisen vom Grill und Salaten zum Essen ein und wem es draußen zu kühl und zu feucht war, ging in den Gemeindesaal. Als besondere Gäste konnten auch einer der ehemaligen Pfarrer der Gemeinde und heutige Superintendent des Kirchenkreises Siegen, Peter Stuberg und der stellvertretende Bürgermeister MdL Thorsten Schick, begrüßt werden. Per Beamer und aufgebauter Leinwand gab es im Jugendraum, dem sogenannten „Dreieckzimmer“, eine Video-Präsentation über den Bau der Kirche, zusammengestellt von der Familie Köhler. Und später im Gemeindesaal bei Kaffee und Kuchen wurde zu den Klängen einer Concertina, gespielt von Herrn Kirsch, von wenigen sogar ein kleines Tänzchen gewagt.
Heute immer noch attraktiv und gebraucht
„Natürlich wird unsere Kirche auch heute noch gebraucht“, weiß Stefan Köhler als Vorsitzender des Kirchbau-Vereins zu berichten. „Wir sind Teil des Dorflebens. Zusammen mit den anderen Vereinen engagieren wir uns für die Bürger*innen vor Ort. Jede und Jeder ist herzlich willkommen.“
Es war ein Gottesdienst und ein Fest, mit Rückschau und ganz viel Dank. Aber mit der freundlichen Ausstrahlung aller Beteiligten und guten Organisation und Versorgung war es vor allem erneut ein Beispiel, für die nach wie vor hervorragend funktionierende Bereitschaft vieler Hände, sich für die Gemeinde einzusetzen und aus dem „Brunn aller Gnad und ewige Quelle“ zu schöpfen.
von Bernhard Laß