Ein denkwürdiger Abschied für eine denkwürdige Karriere – das war die Verabschiedung von Pfarrer Andres Michael Kuhn am 24. Februar in der Evangelischen St. Marien-Kirche in Dortmund in mehrfacher Hinsicht. 37 Jahre war Kuhn Pfarrer im Dienst der Evangelischen Kirche von Westfalen, 30 Jahre davon Gemeindepfarrer im Kirchenkreis Iserlohn. Zuletzt war er Geschäftsführer des Innovationsfonds TeamGeist, der Start-ups für die Kirche von morgen unterstützt. Und auf morgen, auf der Zukunft, lag der Fokus auch beim Abschied.
„Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr es denn nicht?“ – Diesen Bibelvers aus Jesaja hatte sich Andres Michael Kuhn ausgesucht für seine Verabschiedung. Ungewöhnlich für diesen Anlass, wie er selbst in seiner Ansprache sagte. „Aber der Blick nach vorne lohnt sich immer“, so Kuhn. Die jetzige Situation sei nicht das Endgültige, Gott selbst sei der Garant für Hoffnung. Eine wohltuende Perspektive am Jahrestag des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine.
Auch in Bezug auf die Zukunft der Kirche setzte Kuhn den Bibelvers und fragte: „Wie kommt das Neue in die Kirche und aus der Kirche in die Welt?“ Die Kirche werde nicht mehr in der Fläche wachsen und sich strukturell verändern müssen. Genau dafür seien die TeamGeist-Projekte da. Es gehe um Begegnungen mit Menschen, so Kuhn, „Kirche ist immer Kirche, wo sie für andere da ist.“ Dazu müssten die unterschiedlichen Zielgruppen verstärkt in den Blick genommen werden, forderte Kuhn und skizzierte die verschiedenen Altersgruppen von der Generation Alpha bis zu den Babyboomern, den geburtenstarken Jahrgängen, aus denen er nun selbst in den Ruhestand geht. „Ich werbe für eine Kirche, die sich, milieusensibel mit diesem Generationenmix auseinandersetzt und Begegnungswege zur wechselseitigen Verständigung eröffnet.“
Für den Blick zurück war dann Ulf Schlüter, Vizepräsident der EKvW, zuständig, doch auch er ließ immer wieder die Perspektive „Zukunft“ durchscheinen, die Kuhns Arbeit immer prägte. „So geht das nicht weiter“, dieses 5-Wort-Votum könne man über seine Zeit in der EKvW stellen. So sei Kuhn angetreten, und „darin waren Sie und Ich uns immer einig.“ Als Pastor im Hilfsdienst war Kuhn 1986 zunächst für Friedensarbeit zuständig, im Angesicht des Kalten Krieges. Was er als Friedensarbeit begann, löste bedeutsame Prozessen aus. Schlüter selbst wurde dann Kuhns Nachfolger, als dieser als Gemeindepfarrer nach Iserlohn zog. „Fertig sind wir bis heute nicht.“
In den folgenden 30 Jahren prägte Andreas Michael Kuhn die Stadt Iserlohn als Pfarrer wie kein zweiter und brachte immer wieder neue Angebote auf den Weg, von Veranstaltungen mit Jürgen Fliege oder einem Travestie-Star über vielfältige Ausstellungen bis hin zu Tiergottesdiensten. Eine Ausstellung mit Studierenden trug den Titel „lebenswert“, der mittlerweile auch der Name für einen Iserlohner Verein ist, zu dessen Gründervätern Kuhn gehört und der soziale Projekte in zahlreichen Bereichen umsetzt.
2018 wechselte Kuhn dann noch einmal zur Landeskirche und war zunächst in die Vorbereitung des Kirchentages eingebunden. „Was für ein Vertrauen“, attestierte Schlüter dem damals 61-Jährigen Kuhn passend zum Kirchentagsmotto. Anschließend wurde er dann Geschäftsführer des neuen Innovationsfonds. Laut Schlüter hätte seine Stelle auch „Pastor zur Hilfeleistung zur Neuerfindung der Kirche“ heißen können, denn so geht es schließlich nicht weiter. „Danke von Herzen für den Dienst als Pfarrer unserer Landeskirche“, sagte Schlüter abschließend, „das ist und war ein Segen“.
Beim anschließenden Empfang teilten Kolleg:innen und Wegbegleiter:innen berührende Erlebnisse und unterhaltsame Anekdoten, seine Familie dichtete Udo Jürgens Klassiker „Mit 66 Jahren“ um. „Was da passiert ist, war großartig“, beurteilte Pfarrer und Vizepräsident der EkVW i.R. Albert Henz das Engagement von Kuhn in den vergangenen Jahren. Jugendreferent Timon Tesche erzählte die Geschichte vom Taufgespräch seines ältesten Sohns, das wider Erwarten viele Stunden dauerte und bei dem er eine der großen Stärken Kuhns kennenlernen durfte, sich trotz all der großen Projekte in solchen Momenten mit ganzer Aufmerksamkeit auf solche Gespräche einzulassen, zuzuhören und die Menschen zu sehen. Genau das also, was sich Kuhn auch von der Kirche wünscht.